|
Die didaktische Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen von CUL (computerunterstütztes Lernen) soll von diesem Modell ausgehen und die folgenden vier Thesen aufnehmen:
Präsentationskomponente: CUL besitzt besondere Möglichkeiten der Präsentation von Lerninhalten und fördert so deren Anschaulichkeit!
Motivierungskomponente: CUL besitzt besondere Möglichkeiten der Motivierung und fördert so die Anregung des Lerners!
Ablaufsteuerungskomponente: CUL besitzt besondere Möglichkeiten der Selbststeuerung durch den Lerner und fördert so die Individualisierung des Lernens!
Interaktionskomponente: CUL besitzt besondere Möglichkeiten der Dialoggestaltung und fördert so die aktive Verarbeitung der Lerninhalte!
Während die fünf Phasen des CUL-Prozeßphasen-Modells abgrenzbare Gestaltungsschwerpunkte bezeichnen, beschreiben die vier Komponenten einzelne didaktische Prinzipien, die auf die Gestaltung der Phasen bezogen werden können. Phasen und Prinzipien sind deshalb nicht völlig deckungsgleich, weil die didaktischen Prinzipien der Aktivierung und Anschaulichkeit in die Gestaltung aller Phasen hin- i einregieren. Umgekehrt sind für die Phasen der Einführung und des Abschlusses jeweils mehrere J Prinzipien maßgebend, so daß die Affinität zu einem Prinzip weniger stark ausgeprägt ist als bei den anderen Phasen.
Thesendiskussion: Die didaktischen Komponenten des CUL
Wenn CUL auf seine didaktischen Möglichkeiten und Grenzen hin diskutiert
wird, dann schwingen in dieser Betrachtung zumeist die didaktischen Grundfragen
mit:
a) Welche Zielgruppe soll mit der Methode
lernen?
b) Welche Lernziele sollen über die Methode
erreicht werden?
c) Welche anderen Methoden stehen zur Verfügung
und bieten alternative Wege zu den Lernzielen?
Wenngleich dieser Gesamtzusammenhang erst an späterer Stelle im Rahmen konkreter Gestaltungsfragen systematisch aufgenommen wird, so sollten die Grundfragen bei der folgenden Thesendiskussion jedoch immer mitgedacht werden. Ein Blick in die Literatur zeigt, daß CUL schnell in den Sog einer Polarisierung von Computereuphorie und Computerablehnung geraten kann. Eine radikale Position nimmt beispielsweise Eurich ein: "Computer im Bildungswesen, Computer in der Schule- das meint personale Austrocknung der Pädagogik [...]" (1985, S. 36). In bewußter Abgrenzung zu dieser Position postulieren Hurrelmann/Hurrelmann: "Pädagogisch vorgeschriebene Negation wäre das Gegenteil von Aufklärung. Abstraktkritische, aber gegenüber den Prinzipien des Gebrauchs der Informationstechnik unerfahrene Heranwachsende bieten die besten Voraussetzungen für spätere Resignation und Unterwerfung." (1985, S. 38) In einer "kritischen pädagogischen Auseinandersetzung" sollen die Grenzen der Medien in ihren ethischen und sozialen Dimensionen erkennbar, andererseits die Möglichkeiten genutzt werden. "Sie enthalten Chancen der Veranschaulichung, der Individualisierung, der Selbstkontrolle, der Selbstdisziplinierung zu präziser Aufgabenformulierung und logischer Folgerichtigkeit des Denkens [...]. Aber sie taugen keinesfalls als universelle Lehrmittel [...].Wir sollten inzwischen wissen, was es heißt, auf das Gehen zu verzichten, nur weil ein Auto bereitsteht. Und wir sollten nicht versuchen, Kindern das Autofahren beizubringen, ehe sie gehen gelernt haben." (Hurrelmann/Hurrelmann 1985, S. 39) Dieser skeptisch-aufgeschlossenen Haltung ließen sich weitere hinzufügen. Sie reichen von kulturphilosophisch begründeten Befürchtungen, die bisherige Kultur des Gesprächs und der Erkenntnis werde durch eine der Information und des Wissens ersetzt,18 bis hin zu der entweder freudig oder wehmütig getroffenen Feststellung, die digitale Leidenschaft mancher Jugendlicher bringe die alte Autorität des Lehrers ins Wanken und fördere neue Formen der Lehrer-Schüler-Beziehung.
In gewissem Sinne scheint auch CUL in den Sog einer Kontroverse geraten
zu sein, die als typisch für die Einführung pädagogischer Innovationen
bezeichnet werden kann und die Dauenhauer als Auseinandersetzung zwischen
methodischen Revolutionären und Traditionalisten beschreibt: "Unter
den Pädagogen hat es stets neben den nur kritisch fortschreitenden
Realisten die Gruppe der schwärmerischen Revolutionäre und der
traditionalistischen Skeptiker gegeben. Für die einen ist das Geschehen
auf der didaktischen Bühne einfach zu langweilig (sie sprechen natürlich
in gehobener Weise von systemimmanenter Motivationsschwäche); für
die anderen ist jede leichte Kulissenveränderung, etwa die Umbenennung
der Stoffpläne in Handreichungen, eine unerträgliche Situationsverschlechterung,
die sie entschieden und mit ihrer ganzen Kraft des Rechthabenwollens ablehnen."
(1977, S. 12) In ironisierender Art schildert er zudem das Ablaufmuster der
Auseinandersetzung
(Dauenhauer 1977, S. 12 f.):
* Ein Gedanke mit mehr oder weniger starkem
Veränderungspotential tritt auf. Anstatt [...] nach dem Muster zu verfahren: wir formulieren einige
Hypothesen und prüfen sie im Experiment, setzt eine gewaltige Diskussion auf bloßer Vermutungsbasis
ein.
* Es kommt zur Frontenbildung. Die Schwärmer
sprechen von einer kopernikanischen Wende, die Dauerskeptiker halten trocken ihren breiten
Traditionsfuß aufs Bremspedal, und die kritischen Realisten schweigen oder stellen insgeheim die neue
Idee auf die experimentelle Probe. [...]
* Nach einigen Jahren harter Kontroversen,
wenn das Thema sichtbar an Kampfreiz verloren hat, lösen sich die Fronten nicht etwa auf, sondern verharren
in sprachloser Vereisung, jede Seite in dem nie aufgegebenen Vorbehalt, doch Recht behalten zu haben [...].
Nach außen haben alle gesiegt. Die Traditionsbataillone haben wieder einmal mehr die geschichtslosen Neuerer in die Flucht geschlagen [...]; die Schwärmer fühlen sich als Sieger, zwar nicht im Realitäts-, wohl aber im Legitimationsbereich [...]; die Realisten sind nach wie vor in der Minderheit; zwar können sie auf einige experimentelle Fakten verweisen, aber welchen Lehrer, Fachleiter oder Schulleiter interessiert das noch die Modewelle ist längst abgeebbt,"
Solche Kontroversen ließen sich in überspitzter Form auch auf die spezifische Methode des CUL übertragen. Für den Optimisten ist CUL eine Chance zur Individualisierung des Lernens; für den Pessimisten hingegen stellt CUL die Fortsetzung des Irrtums der programmierten Unterweisung auf einer höheren technologischen Ebene dar. Die "Wahrheit", so scheint es, liegt einmal wieder in der Mitte- wo aber liegt die Mitte?
Präsentationskomponente:
Anschaulichkeit der Darstellung
Wenn dem Medium Computer ein besonderes Anschauungspotential zugesprochen
wird, so ist zu berücksichtigen, daß Anschaulichkeit nicht als
Merkmal einer (medialen) Darstellung, sondern immer in Verbindung mit einem
konkreten Lerner verstanden werden muß. So wäre beispielsweise
für einen Architekten der Bauplan eine anschauliche Darstellung eines
Hauses, weil ihm die Inhalte vertraut sind, die verwendete Symbolform (Zeichnung)
seiner eigenen Darstellung vergleichbarer Sachverhalte entspricht und er
die Fähigkeit besitzt, die Symbolik des Planes zu recodieren. Andererseits
bewertet ein Mathematiker die streng formale Darstellung von Sachverhalten
als anschaulich, während andere Menschen visuellen oder verbalen Darstellungsformen
des gleichen Sachverhalts eine höhere Anschauungskraft beimessen.
Der Computer bzw. die Lernsoftware bieten einem Autor Möglichkeiten
und Grenzen der Aufbereitung ausgewählter Lehr-/Lerninhalte (d.h.
Veranschaulichung), die sich von anderen Medien unterscheiden. Die Verständlichkeit
der aufbereiteten Lehr-/Lerninhalte (d. h. Anschaulichkeit) hängt
hingegen von den subjektiven Voraussetzungen des jeweiligen Lerners ab.19
Das Ausmaß der Anschaulichkeit einer Darstellung läßt sich
somit nicht objektiv bestimmen, sondern nur in Beziehung zum individuellen
Betrachter.
Im Vergleich zu statischen Medien wie beispielsweise dem Buch besitzt der Computer eigene Darstellungsmöglichkeiten, wobei die Umsetzbarkeit im einzelnen durch die verwendete Hardware und Autorensoftware bestimmt wird:
* | Bewegtgrafik mit Möglichkeiten der Darstellung von Entwicklungen und Bewegungen; |
* | Fenster-Technik (Split-Screen) mit Möglichkeiten der (wahlweisen) Einblendung von Hilfen, Ergänzungen, Zusammenfassungen u.a.; |
* | dynamischer Bildschirmaufbau (Overlay) mit Möglichkeiten der schrittweisen Entwicklung von Informationsdarstellungen; |
* | Zoom-in/Zoom-out mit Möglichkeiten derVeran-schaulichung von Informationshierarchien und der Simulation geistiger Operationen im Wechsel von Überblick und Detail; |
* | spezifische
Formen der Hervorhebung (durch Blinken, Tachistoskop u. a.) mit Möglichkeiten
der Markierung von „Anker-Informationen". |
Eine besondere Darstellungsmöglichkeit bietet die Simulation, indem dem
Lerner die Konsequenzen seiner Eingaben veranschaulicht werden. Eine besondere
Form der Simulation besteht in der Darstellung von Prozessen, die in der Realität
zu langsam bzw. zu schnell ablaufen, in Form von Zeitraffer und Zeitlupe.
Eine weitere Möglichkeit liegt in der flexiblen Variation der Darstellungsformen (z.B. Text-Bild-Ton). Diese Möglichkeit erlaubt beispielsweise die didaktische Umsetzung der Lerntypen-Theorie Vesters, nach der verschiedene Lernerunterschiedliche Präferenzen in der Wahrnehmung von Informationen besitzen und entsprechend in unterschiedlichen Symbolformen angesprochen werden sollten.
Eine CUL-immanente Grenze der Informationsdarstellung besteht in der
Begrenzung der Bildschirmgröße, wodurch Informationseinheiten nur bis zu einer
bestimmten Komplexität zusammenhängend visuell darstellbar sind. Sollen etwa
komplexe Grafiken oder längere Texte vermittelt werden, so erfordert dies
entweder die Aufteilung auf mehrere Bildschirme oder aber eine Verbindung mit
Papier oder Audiomedien. Damit wächst die Gefahr einer Atomisierung der
Lerninhalte, d. h., die Informationen werden in kleine Einheiten zerstückelt
und versperren so den Blick für Zusammenhänge.
Der Versuch, möglichst viele Informationen auf einem begrenzten Bildschirm
über eine Vielzahl von Darstellungsmöglichkeiten zu vermitteln, begründet die
Gefahr einer Bildschirmüberfrachtung. Eine zu dichte Darstellung führt schnell
zu einer räumlichen Verschmelzung der Wahrnehmung und kann die kognitive
Verarbeitung der Inhalte durch den Lerner unnötig beeinträchtigen.
Als Begrenzung der Anschaulichkeit ist schließlich zu berücksichtigen, daß selbst gegenständliche Symbolformen wie Fotografien oder Filmsequenzen die Dichte einer authentischen Begegnung mit Gegenständen oder Menschen nicht ersetzen können und daher eine „Erfahrung aus zweiter Hand" verkörpern. Damit stützte letztlich auch CUL den Trend hin zu einer „mediatisierten Erfahrung", d.h., Lernen vollzieht sich über Abbilder und nicht aus dem unmittelbaren Erleben. Die damit verbundene Gefahr besteht dann darin, daß sich die Erlebniswelt des Menschen zunehmend standardisiert und nivelliert.
Motivierungskomponente: Anregung des Lerners
Die Frage nach der Motivierungskraft einer Lernsoftware hängt zentral davon ab, welche Motivstrukturen jeweils beim Lernerwirksam sind. Die Ansprüche des Lerners an das Lernen können entweder eher sachlich oder emotional-sozial dominiert werden. Will sich der Lerner in kurzer Zeit- ggf. vordem Hintergrund eines äußeren Problemdrucks-neue Lerninhalte aneignen, so stehen weitgehend sachliche Ansprüche im Vordergrund. Lernen soll dann schnell zum Aufbau neuer Fähigkeiten führen, Ansprüche an die Art des Lernens sind in diesem Fall nachgeordnet. Hat der Lerner hingegen Ansprüche an die emotionale und soziale Qualität des Lernens, indem er entweder Lernen mit Spaß oder Genuß verbindet, sich in einer sozialen Gruppe wohlfühlen oder umgekehrt disziplinierendes bzw. direktives Lehren vermeiden möchte, so ist das sachliche Interesse durch emotional-soziale Ansprüche imprägniert oder wird gar von diesen überformt. Die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen von CUL unter motivationalen Kriterien ist daher die Frage nach möglichen Motiven, die über CUL aktiviert oder unterdrückt werden.
Ein mögliches weiteres Motiv ist der Vollzugsgenuß in der Arbeit am Computer: Das Lernen am Computer wird als genußvoll, spannend oder interessant erlebt, es löst ein "Flußerleben" aus, bei dem Zeit und Raum nicht mehrwahrgenommen werden. Rheinberg (1985, S. 88) unterscheidet in einem anderen Kontext zwischen zweck- und tätigkeits-zentrierten Anlässen des Lernens. Zweckzentrierte Anlässe sind auf die Erreichung eines Ziels gerichtet, während bei tätigkeitszentrierten Anlässen der Eigenanreiz der Tätigkeit ein wirksames Handlungsmotiv ist. Am Beispiel des Motorradfahrens führt Rheinberg tätigkeitszentrierte Anreize wie Überlegenheit, Angstkontrolle, Nervenkitzel, Abschalten u. a. an. Bezogen auf den Computer nennt er das "Flußerleben", den "Zustand einer tätigkeitsabsorbierenden Selbstvergessenheit", den "Vollzugsgenuß" im Umgang mit dem Gerät (S. 90 f.). Es kann vermutet werden, daß insbesondere bei erfolgsorientierten Lernern dann das Neugiermotiv zu einem tätigkeitszentrierten Anlaß des CUL wird, wenn sie erstmals diese Methode anwenden. Bei mißerfolgsorientierten Lernern könnte das erstmalige Lernen über CUL demgegenüber dazu führen, daß sich ein Gefühl der Unsicherheit und Überforderung einstellt.
Eine eher ambivalente Wirkung kann das Motiv nach der Kontrolle des Mediums besitzen. Beim ersten Lernen mit Lernprogrammen ist häufig zu beobachten, wie die Lerner versuchen, das System zum Absturz zu bringen oder die Programmlogik ins Absurde zu treiben. Das Lernen am Computer wird in dieser Haltung unter das Motiv der Technikbeherrschung gestellt. Implizites Ziel ist es, die Grenzen der Technik zu identifizieren und so die eigene Überlegenheit zu demonstrieren.
Möglichkeiten
Erfolgsmotivierte Lerner könnten in besonderer Weise dadurch angesprochen werden, daß sie eine unmittelbare Rückmeldung auf ihre Eingaben erhalten. Falsche Antworten werden schnell korrigiert, und bei der Durcharbeitung des Lernprogramms wird der Arbeitsfortschritt oft über die bereits als "bearbeitet" angezeigten Programmteile oder einen "Lernfortschrittsbericht" sichtbar.
Bei mißerfolgsmotivierten Lernern (Motiv: Vermeidung von Mißerfolg) kann durch CUL ein Angstabbau durch die Anonymität gefördert werden. Das individuelle Lernen am Computer verhindert Lernbarrieren, die durch die Sanktionsmacht einer Gruppe aufgebaut werden könnten. Der Lerner kann Fehler machen, ohne Bestrafungen fürchten zu müssen.
Das erstmalige Lernen über CUL kann ferner zu einer lernfördernden Neugier aufgrund der Neuheit des Mediums führen und dadurch den Zugang zu den Lerninhalten fördern. Es ist jedoch davon auszugehen, daß diese Motivierung durch Interesse an einem neuen Medium nur kurzzeitig wirksam sein kann.
Grenzen
Eine wesentliche Grenze unter motivationalen Kriterien besteht bei Lernern mit einem prinzipiellen Akzeptanzdefizit hinsichtlich des Lernens mit dem Computer. CUL-Akzeptanz beschreibt die prinzipielle Bereitschaft, mit Hilfe eines Lernprogramms zu lernen bzw. sich auf die Methodenkonzeption des CUL einzulassen. Die CUL-Akzeptanz kann differenziert werden in eine anfängliche und eine dauerhafte: Diese Unterscheidung greift die Möglichkeit auf, daß die Anfangsmotivation bei den ersten Einsätzen der Methode auf dem Neuigkeitseffekt und der Faszination des Computers beruht und nicht aus der Methode selbst resultiert (vgl. Freibichler 1973, S. 43; Eyferth u.a. 1974, S. 109). In der amerikanischen Literatur wird in diesem Zusammenhang die "continuing motivation" (Bereitschaft, ohne externen Einfluß oder Druck zu einer Lernaufgabe zurückzukehren) diskutiert (vgl. Kinzie/Sullivan 1988, S. 247 f.; Keller/Suzuki 1988, S. 407).
Eine besondere Begründung für die fehlende Akzeptanz könnte für bestimmte Lerner dann entstehen, wenn CUL in einer anonymen Lernumgebung eingesetzt wird. Anonymes Lernen an einem Arbeits- oder Lernplatz führt zur Vernachlässigung des Sozialmotivs', die fehlende affektive Zuwendung und der mangelnde soziale Austausch können für Lerner mit emotionalen bzw. sozialen Ansprüchen an das Lernen dann möglicherweise demotivierend wirken.
Die Akzeptanz kann ferner leiden, wenn die Dialoge mit dem Lernprogramm als unbefriedigend oder gar frustrierend empfunden werden, etwa weil die Rückmeldungen der Lernsoftware als unverständlich, unpassend oder auch emotional bestrafend aufgenommen werden. Ein weiterer Grund kann in der Undurchsichtigkeit der "Black Box" Computer liegen:
Der Computer wird zum undurchschaubaren, nicht beherrschbaren, manchmal gar mythischen Objekt, das Unterlegenheitsgefühle auslösen kann.
Ablaufsteuerungskomponente: Individualisierung des Lernens
Häufig wird die Individualisierung des Lernprozesses als der zentrale
Vorteil des CU L genannt. Der Lerner, so wird ausgeführt, könne
über entsprechende Verzweigungsmöglichkeiten selbst entscheiden,
was-wann-wie schnell-wie oft-in welcher Intensität und in welcher
Reihenfolge er lernt. CUL wird dann schnell als eine Lernmethode bezeichnet,
die flexibel auf die unterschiedlichsten Lernervoraussetzungen eingehen
kann. "Im computerunterstützten Unterricht wird jeder Lernende individuell
behandelt. Seine Fragen werden nicht -wie häufig in der Klasse -global
oder pauschal, sondern individuell beantwortet. Seine Fehlerwerden individuell
analysiert und diskutiert. Das gleiche gilt für Lösungsansätze
und Lösungswege des einzelnen Lernenden, bei denen der Computer auf
individuelle Interessen eingehen kann. Grundsätzlich kann der CDU
diese Individualisierung durch eine angemessene Verzweigung der Programmschritte
und eine Aufbereitung der Inhalte realisieren, die auf heterogene Gruppen
von Lernenden eingeht, so daß es möglich ist, den individuellen
Lernstrategien des einzelnen
entgegenzukommen." (Haefner/Eichmann/Hinze 1987, S. 85) Ähnlich
die Einschätzung Assmanns, nach der ein Computer "individuell" auf
den Schüler eingeht, sich nicht bemogeln läßt, "von der Tyrannei
eines Stundenplanes und von menschlicher Unzuverläßlichkeit"
befreit (in: Eyferth u.a. 1974, S. 21).
Möglichkeiten
Die oben zitierten Standpunkte lassen vermuten, daß der Computer ungleich gezielter auf den Lerner eingehen kann als beispielsweise ein Lehrer. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, daß diese Darstellungen eher Ansprüche denn realisierbare Umsetzungen zum Ausdruck bringen und teilweise auf einer Überschätzung der informationstechnologischen Möglichkeiten beruhen. Individualisierung bezieht sich auf folgende Aspekte:
Individuelle Verfügbarkeit:
Das Lernen am Computer ist zeit- und raumunabhängig (unbegrenzter
Zugang zu einer Lernerstation vorausgesetzt!).
Individuelle Lernziele:
Der Lerner bestimmt selbst, welche Inhalte er bei welchem Schwierigkeitsgrad
(Verhaltenshöhe) lernen soll (entsprechende verfügbare Lernsoftware
vorausgesetzt!).
Individuelles Lerntempo:
Das Lerntempo ist nicht am Durchschnitt einer Gruppe orientiert, sondern
an den individuellen Lernfortschritten des einzelnen Lerners; Lerninhalte
können beliebig oft wiederholt werden.
Individuelle Lernwege:
Die Folge der Lernschritte wird durch den Lerner gesteuert, das heißt,
über Menüs, die Möglichkeit des Abrufs von ergänzenden
Hilfen sowie Verzweigungs-, Abbruch- und Unterbrechungsmöglichkeiten
kann der Lerner den Lernprozeß an seine Bedürfnisse anpassen.
Individuelle Erfolgskontrolle:
Der Lernfortschritt wird nicht an der Bezugsnorm einer Gruppe, sondern
kriterienorientiert an der individuellen Leistungsverbesserung des Lerners
ausgerichtet.
Grenzen
Individualisierung setzt voraus, daß der Lehrer bzw. das Medium
erkennt, mit welchen Erfahrungen, Stärken und Schwächen der Lerner
die Lerninhalte bearbeitet. Ausgangspunkt der Lernsoftware-Entwicklung
ist jedoch nicht der individuelle Lerner, sondern die Vorstellung eines
Durchschnittslerners. Da Lernsoftware für eine große Anwendergruppe
entwickelt wird, kann dem individuellen Lerner nur sehr begrenzt entsprochen
werden.
Im Zentrum der Lernsoftware steht der Inhalt, nicht der Lerner. CUL impliziert eine Didaktik, die vom Inhalt ausgeht, nicht vom (individuellen) Lerner. Mit der fertiggestellten Lernsoftware ist der Lernprozeß abschließend geplant. Zwar können im Rahmen einer Lernersteuerung mehrere Lernpfade vorgesehen werden, doch bleibt Individualisierung immer begrenzt auf den Rahmen der vorgesehenen Strukturen. Die Lernsoftware, nicht der Lerner, definiert die zugelassenen Fragen. Individualisierung vollzieht sich im Rahmen der von dem Autor realisierten Dialoge und Lernwege. Außerhalb dieses Ereignisraums laufen die Bedürfnisse des Lerners ins Leere. Im Mittelpunkt steht die Vermittlung des Vorgedachten, nicht die Klärung des Selbstgedachten.
Lehren
im Leerlauf oder Lernen in Lehrschritten?
Möglichkeiten
und Grenzen des computerunterstützten
3.2.4.
Interaktionskomponente: Aktive
Es ist nahezu ein Allgemeinplatz in der neueren
Didaktik,
daß erst die aktive Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt Lernen im Sinne des
Auf- und Ausbaus von subjektiven Erfahrungsstrukturen beim Lerner auslöst.
Durch entsprechende Impulse versucht daher der Lehrer seine Schüler
anzuregen, ein Thema aufzunehmen, Beiträge und Beispiele aus ihrem
Erfahrungsbereich beizusteuern, kurz: sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen.
Fragen sind in diesem Sinne didaktische Impulse, über die der Lehrer nicht
Antworten „herauskitzelt", die er gerne hören möchte, sondern mit deren
Hilfe er die Schüler auffordert, sich aktiv mit der Problemstellung zu beschäftigen.
Möglichkeiten
Auf dieser Grundlage bezeichnet die Interaktionskomponente
sicherlich die markanteste, jedoch auch die mit den meisten Mißverständnissen
verbundene Komponente des CUL. „Interaktion" suggeriert in diesem
Zusammenhang Kommunikation mit einer technischen Apparatur, womit einerseits
eine Abgrenzung zu anderen Medien, andererseits eine Annäherung an die Möglichkeiten
der sozialen Kommunikation erfolgt ist. Während der zweite Aspekt in einem
eigenen Kapitel aufgenommen wird, soll zunächst skizziert werden, inwieweit die
Möglichkeiten der Dialoggestaltung die aktive Verarbeitung der Lerninhalte fördern
können.
Grenzen
Wenn als besonderes Merkmal von CUL die Interaktivität dieser Lernmethode hervorgehoben wird, so bezieht sich diese Komponente zum einen auf den Vergleich mit anderen Lernmedien, wie beispielsweise Buch oder Film. Zum anderen entfaltet sich oft auch ein angedeuteter oder ausgesprochener Vergleich mit menschlichen Lehrpersonen. Dies kommt etwa in metaphorischen Zuschreibungen zum Ausdruck, in denen der Computer als „Partner", „Tutor", „unbestechlicher Lehrer" oder „zuverlässiger Lernbegleiter" bezeichnet wird. In einem eigenen Kapitel sollen daher die kommunikativen Grenzen des Computers ausgelotet werden, indem über die Herausarbeitung der Unterschiede zwischen sozialer und sozio-technischer Kommunikation das Spezifische der Interaktion mit dem Computer auch im Rahmen von CUL herausgestellt wird.
3.3 An der Differenz das Spezifische erkennen: Die kommunikative (Ohn-)Macht des Computers
Um es vorweg deutlich zu machen: Es soll nicht wortreich einer Frage nachgegangen werden, die strenggenommen einen Randaspekt der Diskussion aufgreift . Wenn im folgenden die Grenzen einer sozio-technischen Kommunikation herausgearbeitet werden, so verfolgt dies drei Absichten:
* | Soll CUL zumeist in der Variante der
Verhaltenssimulation als
eine Methode zur Förderung sozialkommunikativer Lernziele eingesetzt werden,
so stellt sich die Frage nach der Effektivität dieser Methode zur
Zielerreichung. Zur Beantwortung dieser Frage ist eine Einschätzung des
kommunikativen Potentials von CUL grundlegend. |
* |
Methoden wie CUL können nicht nur daraufhin untersucht
werden, welche Lernziele sie erreichen |
* | Schließlich unterliegt einigen Einschätzungen des CUL ein Anspruch, um nicht zu sagen: Mythos, der auf einer Überschätzung der kommunikativen Möglichkeiten dieser Lernmethode beruht. Dies geht teilweise so weit, die Ansprüche an ein „intelligentes CUL als realisierten Bezugspunkt für die Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Methode zu erheben. Es dient der Versachlichung dieser Diskussion, den Computer zwar nicht zu verteufeln, aber seine Verwendung auf die Bereiche zu beschränken, in denen er anderen Lernmethoden überlegen sein kann. |
Im folgenden soll anhand von sieben Thesen das
Spezifische einer sozio-technischen Kommunikation zwischen Lerner und
Computer herausgestellt werden:
These 1: CUL repräsentiert eine
anonyme Kommunikation!
Der Computer kann als technische Zwischenstufe einer
(mittelbaren) Kommunikation zwischen Lerner und Lernprogramm -Autor
verstanden werden. Der Computer als Medium zwischen Autor und Lerner erlaubt es,
die dem direkten sozial-kommunikativen Handeln eigene Einheit von Raum und
Zeit aufzuheben; erhält Informationen und Problemlösungsverfahren verfügbar,
die zu anderen Zeiten und an anderen Orten von Autoren entwickelt und
konserviert
wurden. Während sich unmittelbares sozialkommunikatives Handeln für die
Handelnden in einer situativ gleichartig erlebten Umwelt vollzieht, impliziert
die technologisch vermittelte Kommunikation zwei verschiedenartige
Situationskontexte.
„Der Dialog ist die
Elementarform der Kommunikation [...]. Er zeichnet sich ursprünglich
durch eine Einheit von Ort, Zeit und Beteiligten aus [. . . Das] Telefon hebt
die Einheit des Ortes auf [. . .]. Der Computer hebt auch die Einheit der
Beteiligten auf." (Nake 1984, S. 116)
Planung und Umsetzung des Lernprozesses bleiben zeitlich
strikt getrennt. Der Autor versucht, die möglichen Lernoperationen des
Lerners antizipierend in die methodische Gestaltung des Lernprogramms
aufzunehmen. Über den tatsächlichen Ablauf des Lernprozesses erfährt er in
der Regel nichts. Das Bestreben des Autors muß darin bestehen, sich über die möglichen
Operationen des Lerners detailliert bewußt zu werden und auf dieser Grundlage
die Lernwege möglichst perfekt zu planen. Die Umsetzung der im Lernprogramm
objektivierten Lehrstrategie hängt davon ab, inwieweit es dem Lerner gelingt,
die Lerninhalte mit seinen subjektiven Erfahrungsstrukturen zu verbinden. Interpretationen im Rahmen der
Lerner- Computer- Kommunikation erfordern kein
empathisch-ganzheitliches Hineinversetzen in die Person eines
Kommunikationspartners, sondern die kognitive Erfassung des explizit
Dargestellten. Die Inhalte mögen dem Lerner im Negativfall teilweise oder
weitgehend unverständlich bleiben, er mag sie mißverstehen und in einer möglicherweise
konträren Verwendung aufnehmen. Der Autor besitzt keine Möglichkeiten, außerhalb
des von ihm antizipierten und in dem Lernprogramm manifestierten Ereignisraums
auf den Lernprozeß des Lerners Einfluß zu nehmen. Die Rollen sind
klarverteilt: Der Autor organisiert die Lerninhalte, der Lerner rezipiert und
verarbeitet sie. Ein Austausch von Erfahrungen ist nicht vorgesehen.
These 2:
CUL repräsentiert eine direktive Kommunikation!
Die Mitteilungen des Lernprogramms, die für den Lerner
kommunikative Anschlußmöglichkeiten bieten, sind prinzipiell in der Diktion
des Imperativs abgefaßt. Der Lerner wird vom Programm aufgefordert, eine
Antwortoption zu wählen, Entscheidungen zu treffen oder an eine andere Stelle
des Programms zu verzweigen. In diesem Sinne ist auch die zunächst verblüffende
Aussage von Hentigs verständlich, der Computer stelle keine Fragen, sondern
gebe ausschließlich Antworten: „Auch wenn Sätze in Frageform auf dem
Bildschirm erscheinen, ,fragt' der Computer nicht; er sagt vielmehr, welche
weiteren Angaben ich machen muß, damit er das gespeicherte Datum ermitteln und
herausgeben kann." (von Hentig 1988, S. 98) Diese Struktur begründet eine ausgeprägte Steuerung des
Lerners,
die nicht zuletzt durch die Notwendigkeit bedingt ist, den Lerner innerhalb des
vorgeplanten Ereignisraums zu halten und nicht Problemstellungen zu provozieren,
die das System nicht mehr angemessen aufgreifen kann. Gleichwohl mag der Lerner
aufgrund seiner permanenten Aktivitäten das Gefühl haben, das Programm passe
sich seinen Interessen an und er sei derjenige, der die Kommunikation steuere.
These
3: CUL repräsentiert eine
erfahrungsreduzierte Kommunikation!
Jedes noch so aufwendig entwickelte Lernprogramm repräsentiert
einen, im Vergleich zur sozialen Kommunikation, enorm reduzierten
Kommunikationskontext,
der den Verständigungsbereich der Kommunikation auf eine relativ überschaubare
Zahl an Informationen und darauf bezogenen Lernereingaben beschränkt. Dialoge
mit dem Lerner stellen vom Autor vorgeplante und in allen Details explizit
gemachte Kommunikationsmuster dar, in denen der Computer nicht im eigentlichen
Sinne „versteht", sondern „funktioniert" gleichwohl dem
Lerner jedoch die Illusion des Verstehens zu vermitteln vermag. „Der
Computer teilt mit dem Menschen zwar [. . .] eine Sprache, aber nicht eine Weit
[. . . Die Sprache wirkt] als eine Art fata morgana [. . . ]. Sie wird immer
wieder hinter der Kulisse oder dem Horizont des Nichtsprachlichen entschwinden,
sich immer wieder auflösen in lauter Kontexthaftigkeit." (Johnson 1984,
S. 45, 47)
These 4: CUL repräsentiert eine
sprachreduzierte
Kommunikation!
Die Kommunikation innerhalb des CUL bewegt sich
prinzipiell auf der Inhaltsebene. Anders als beim sozial- kommunikativen
Handeln, ist der Beziehungsaspekt nicht mit der Kommunikation synchronisiert.
Will der Autor auf den Beziehungsaspekt abheben, so muß er ihn ausdrücklich
hervorheben und sprachlich objektiviert ausdrücken. Durch den
Ausfall der nicht bzw. halbsprachlichen Kommunikationsebene reduziert
sich die Lerner- Computer- Kommunikation auf das ausdrücklich
Artikulierte. Die im Vergleich zur sozialen Kommunikation geringere Symptomfülle
führt dazu, daß die verwendeten Zeichen eine hohe semantische Eindeutigkeit
besitzen müssen.
Die Artikulationsmöglichkeiten des Lerners vollziehen
sich im Rahmen geschlossener sowie begrenzt offener Dialogformen. Bei den
geschlossenen Dialogformen besteht die Artikulation des Lerners nicht in der
Formulierung wohlgeformter Ausdrücke durch Anwendung linguistischer Regeln,
sondern in dem „Zeigen" auf die jeweils ausgewählte Option. Die Option
ist dabei gekennzeichnet durch ein Zeichen (einen Buchstaben, eine Ziffer oder
ein Icon), oder sie kann über die Bedienung eines Eingabegerätes (z. B. Maus
oder Touchscreen) vom Lerner markiert werden. Die offene Dialogform ist begrenzt
durch die von der Autorensoftware analysierbare Antwortlänge, die faktisch
kaum mehr als die Analyse eines einfachen Satzes erlaubt. Daraus ergibt sich die
Notwendigkeit für den Lerner, seine Eingaben über die Formulierung von prägnanten
Begriffen vorzunehmen, die er ggf. in rudimentäre Sätze kleiden kann. Die
Artikulation des Lerners erfolgt im Stile eines Kreuzworträtsels oder, im
elaboriertesten Fall, durch die Angabe kurzer Stichwortsätze.
Insgesamt läßt sich der Kommunikationsstil im Rahmen
des dialogischen Austauschs zwischen Lerner und Computer als eine um
Eindeutigkeit und Prägnanz bemühte Stafette kurzer Frage- Antwort Folgen
skizzieren. Der Lerner sucht innerhalb eines stark begrenzten und zerstückelten
Kommunikationskontextes die richtige Antwort, erwählt die entsprechende
Funktion, und wenn er sie ausgelöst hat, gibt es keine weiteren Fragen oder
Diskussionen. Der Lerner ist gezwungen, seine eigene Sprache und seine
Kognitionen laufend computergerecht zu übersetzen, ein Wort zu einem Zeichen,
eine Aussage zu einer Maschinenanweisung und einen subjektiven Sprach- und
Denkstil in eine computergerechte Form zu transformieren. Anders in der sozialen
Kommunikation: Die Gesprächspartner verstehen sich häufig auch dann noch,
wenn Äußerungen vorgetragen werden, die syntaktisch oder semantisch nicht
den Sprachkonventionen entsprechen. Regelverletzungen oder ein neuartiger
Sprachgebrauch verhindern nicht, daß die Äußerungen verstanden werden. Das
technisch diktierte Ideal ist ein präziser, redundanzloser Dialog, der
zugleich mit einer einfachen Syntax und einem geringen Wortschatz auskommt.
These 5: CUL repräsentiert
eine gefühlsreduzierte Kommunikation!
Die weitgehend reduzierte Sprache in der Lerner Computer- Kommunikation
korrespondiert mit der Unmöglichkeit für den Lerner, innerhalb eines
Computerdialogs
die eigene Individualität oder eigene Gefühle ausdrücken zu können. Gefühlsbetonte
Ausdrucksformen, wie etwa Ironie oder Sarkasmus, finden in den von dem Autor
vorgefertigten Kommunikationsmustern keinen Halt, es sei denn, sie werden - wie bei ELIZA
- domestiziert und in schematisierte Bahnen gelenkt.
Affektive Dimensionen menschlichen Handelns werden in der Lerner- Computer
Kommunikation
nicht gefordert. Die Darstellungen des Computers kommen gleichsam aus dem Nichts. Äußerungen
eines menschlichen Kommunikationspartners sind demgegenüber selten rein
funktional; mit den Inhalten verbinden sich (halb- und nichtsprachlich
artikulierte) Gefühle und Motive, die in die Interpretation des anderen
eingehen können.
These
6: CUL
repräsentiert eine statische Kommunikation!
Die Analyse der
Lerner- Computer- Kommunikation zeigt, daß diese Kommunikation
weitgehend statisch verläuft, d. h., die Dialoge aktualisieren lediglich
vorgeplante Kommunikationsmuster. Im Gegensatz zu einem personalen
Kommunikationspartner ist ein Lernprogramm nicht in der Lage, innerhalb des
Kommunikationsprozesses eigene „Erfahrungen" aufzubauen, d. h., prozeßbegleitend
zu lernen. Aus diesem Grunde kann die Lerner- Computer Kommunikation nicht
adaptiv verlaufen, die Dialoge vollziehen sich unabhängig von den Lernprozessen
des Lerners in immer gleicher Weise. Daraus ergibt sich, daß die Kommunikation
mit dem Computer nicht dynamisch fort, sondern vorgezeichnete Wege
abschreitet.
These
7: CUL
repräsentiert eine Kommunikation ohne Verantwortung!
Im Gegensatz zum sozial-kommunikativen Handeln
fordert die Kommunikation mit dem Computer von dem Lerner keinerlei
Verantwortlichkeit für sein Handeln. Der Lerner betätigt Funktionen, kann
seine Aktionen wieder rückgängig machen, er übernimmt keinerlei Verantwortung
gegenüber anderen für das, was er mit seinen Operationen ausdrückt. Er
braucht sein Handeln weder zu begründen, noch ist er gezwungen, es auf seine
moralische Basis hin zu legitimieren. Die Legitimation ergibt sich aus der
Regelhaftigkeit des Lernprogramms, die für ihn Sachzwänge und damit eine
individuelle Verantwortungslosigkeit begründet. Solange der Computer für
seinen Bediener kein ethisches Subjekt darstellt, fordert er von ihm keine
Verantwortung.
Apersonale Lernarrangements im Rahmen einer
Lerner- Computer- Kommunikation sind nicht von dem Interesse an der
Person des anderen getragen, sondern sie orientieren sich am inhaltlichen Bezug
des Lernprogramms. Sie bieten ein Terrain ungestörter, asozialer Einsamkeit.
In extremer Ausprägung können sie vorhandene Tendenzen einer Distanzierung
zur sozialen Umwelt verstärken; sie bieten insbesondere für introvertierte
Menschen eine angenehme Möglichkeit, den Unwägbarkeiten und Ansprüchen einer
sozialen Beziehung ein Stück mehr auszuweichen. Kommunikation mit dem Computer
erlaubt eine Individualisierung, ohne das Gefühl der Einsamkeit und ohne die
Bedrohung, sich gegenüber anderen Menschen verwundbar zu machen. Sie kann der
Neigung einzelner Menschen
aus:
Didaktik des computerunterstützten Lernens
Praktische Gestaltung und theoretische Grundlagen
Dr. Dieter Euler
BW Bildung und Wissen Verlag und Software GmbH, Nürnberg, 1992
|