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Lehren
im Leerlauf oder Lernen in Lehrschritten?
Möglichkeiten
und Grenzen des computerunterstützten
3.2.4.
Interaktionskomponente: Aktive
Es ist nahezu ein Allgemeinplatz in der neueren
Didaktik,
daß erst die aktive Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt Lernen im Sinne des
Auf- und Ausbaus von subjektiven Erfahrungsstrukturen beim Lerner auslöst.
Durch entsprechende Impulse versucht daher der Lehrer seine Schüler
anzuregen, ein Thema aufzunehmen, Beiträge und Beispiele aus ihrem
Erfahrungsbereich beizusteuern, kurz: sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen.
Fragen sind in diesem Sinne didaktische Impulse, über die der Lehrer nicht
Antworten „herauskitzelt", die er gerne hören möchte, sondern mit deren
Hilfe er die Schüler auffordert, sich aktiv mit der Problemstellung zu beschäftigen.
Möglichkeiten
Auf dieser Grundlage bezeichnet die Interaktionskomponente
sicherlich die markanteste, jedoch auch die mit den meisten Mißverständnissen
verbundene Komponente des CUL. „Interaktion" suggeriert in diesem
Zusammenhang Kommunikation mit einer technischen Apparatur, womit einerseits
eine Abgrenzung zu anderen Medien, andererseits eine Annäherung an die Möglichkeiten
der sozialen Kommunikation erfolgt ist. Während der zweite Aspekt in einem
eigenen Kapitel aufgenommen wird, soll zunächst skizziert werden, inwieweit die
Möglichkeiten der Dialoggestaltung die aktive Verarbeitung der Lerninhalte fördern
können.
Grenzen
Wenn als besonderes Merkmal von CUL die Interaktivität dieser Lernmethode hervorgehoben wird, so bezieht sich diese Komponente zum einen auf den Vergleich mit anderen Lernmedien, wie beispielsweise Buch oder Film. Zum anderen entfaltet sich oft auch ein angedeuteter oder ausgesprochener Vergleich mit menschlichen Lehrpersonen. Dies kommt etwa in metaphorischen Zuschreibungen zum Ausdruck, in denen der Computer als „Partner", „Tutor", „unbestechlicher Lehrer" oder „zuverlässiger Lernbegleiter" bezeichnet wird. In einem eigenen Kapitel sollen daher die kommunikativen Grenzen des Computers ausgelotet werden, indem über die Herausarbeitung der Unterschiede zwischen sozialer und sozio-technischer Kommunikation das Spezifische der Interaktion mit dem Computer auch im Rahmen von CUL herausgestellt wird.
3.3 An der Differenz das Spezifische erkennen: Die kommunikative (Ohn‑)Macht des Computers
Um es vorweg deutlich zu machen: Es soll nicht wortreich einer Frage nachgegangen werden, die strenggenommen einen Randaspekt der Diskussion aufgreift .Wenn im folgenden die Grenzen einer sozio-technischen Kommunikation herausgearbeitet werden, so verfolgt dies drei Absichten:
* | Soll CUL zumeist in der Variante der
Verhaltenssimulation als
eine Methode zur Förderung sozialkommunikativer Lernziele eingesetzt werden,
so stellt sich die Frage nach der Effektivität dieser Methode zur
Zielerreichung. Zur Beantwortung dieser Frage ist eine Einschätzung des
kommunikativen Potentials von CUL grundlegend. |
* |
Methoden wie CUL können nicht nur daraufhin untersucht
werden, welche Lernziele sie erreichen |
* | Schließlich unterliegt einigen Einschätzungen des CUL ein Anspruch, um nicht zu sagen: Mythos, der auf einer Überschätzung der kommunikativen Möglichkeiten dieser Lernmethode beruht. Dies geht teilweise so weit, die Ansprüche an ein „intelligentes CUL als realisierten Bezugspunkt für die Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Methode zu erheben. Es dient der Versachlichung dieser Diskussion, den Computer zwar nicht zu verteufeln, aber seine Verwendung auf die Bereiche zu beschränken, in denen er anderen Lernmethoden überlegen sein kann. |
Im folgenden soll anhand von sieben Thesen das
Spezifische einer sozio-technischen Kommunikation zwischen Lerner und
Computer herausgestellt werden:
These 1: CUL repräsentiert eine
anonyme Kommunikation!
Der Computer kann als technische Zwischenstufe einer
(mittelbaren) Kommunikation zwischen Lerner und Lernprogramm -Autor
verstanden werden. Der Computer als Medium zwischen Autor und Lerner erlaubt es,
die dem direkten sozial-kommunikativen Handeln eigene Einheit von Raum und
Zeit aufzuheben; erhält Informationen und Problemlösungsverfahren verfügbar,
die zu anderen Zeiten und an anderen Orten von Autoren entwickelt und
konserviert
wurden. Während sich unmittelbares sozialkommunikatives Handeln für die
Handelnden in einer situativ gleichartig erlebten Umwelt vollzieht, impliziert
die technologisch vermittelte Kommunikation zwei verschiedenartige
Situationskontexte.
„Der Dialog ist die
Elementarform der Kommunikation [...]. Er zeichnet sich ursprünglich
durch eine Einheit von Ort, Zeit und Beteiligten aus [. . . Das] Telefon hebt
die Einheit des Ortes auf [. . .]. Der Computer hebt auch die Einheit der
Beteiligten auf." (Nake 1984, S. 116)
Planung und Umsetzung des Lernprozesses bleiben zeitlich
strikt getrennt. Der Autor versucht, die möglichen Lernoperationen des
Lerners antizipierend in die methodische Gestaltung des Lernprogramms
aufzunehmen. Über den tatsächlichen Ablauf des Lernprozesses erfährt er in
der Regel nichts. Das Bestreben des Autors muß darin bestehen, sich über die möglichen
Operationen des Lerners detailliert bewußt zu werden und auf dieser Grundlage
die Lernwege möglichst perfekt zu planen. Die Umsetzung der im Lernprogramm
objektivierten Lehrstrategie hängt davon ab, inwieweit es dem Lerner gelingt,
die Lerninhalte mit seinen subjektiven Erfahrungsstrukturen zu verbinden. Interpretationen im Rahmen der
Lerner- Computer- Kommunikation erfordern kein
empathisch-ganzheitliches Hineinversetzen in die Person eines
Kommunikationspartners, sondern die kognitive Erfassung des explizit
Dargestellten. Die Inhalte mögen dem Lerner im Negativfall teilweise oder
weitgehend unverständlich bleiben, er mag sie mißverstehen und in einer möglicherweise
konträren Verwendung aufnehmen. Der Autor besitzt keine Möglichkeiten, außerhalb
des von ihm antizipierten und in dem Lernprogramm manifestierten Ereignisraums
auf den Lernprozeß des Lerners Einfluß zu nehmen. Die Rollen sind
klarverteilt: Der Autor organisiert die Lerninhalte, der Lerner rezipiert und
verarbeitet sie. Ein Austausch von Erfahrungen ist nicht vorgesehen.
These 2:
CUL repräsentiert eine direktive Kommunikation!
Die Mitteilungen des Lernprogramms, die für den Lerner
kommunikative Anschlußmöglichkeiten bieten, sind prinzipiell in der Diktion
des Imperativs abgefaßt. Der Lerner wird vom Programm aufgefordert, eine
Antwortoption zu wählen, Entscheidungen zu treffen oder an eine andere Stelle
des Programms zu verzweigen. In diesem Sinne ist auch die zunächst verblüffende
Aussage von Hentigs verständlich, der Computer stelle keine Fragen, sondern
gebe ausschließlich Antworten: „Auch wenn Sätze in Frageform auf dem
Bildschirm erscheinen, ,fragt' der Computer nicht; er sagt vielmehr, welche
weiteren Angaben ich machen muß, damit er das gespeicherte Datum ermitteln und
herausgeben kann." (von Hentig 1988, S. 98) Diese Struktur begründet eine ausgeprägte Steuerung des
Lerners,
die nicht zuletzt durch die Notwendigkeit bedingt ist, den Lerner innerhalb des
vorgeplanten Ereignisraums zu halten und nicht Problemstellungen zu provozieren,
die das System nicht mehr angemessen aufgreifen kann. Gleichwohl mag der Lerner
aufgrund seiner permanenten Aktivitäten das Gefühl haben, das Programm passe
sich seinen Interessen an und er sei derjenige, der die Kommunikation steuere.
These
3: CUL repräsentiert eine
erfahrungsreduzierte Kommunikation!
Jedes noch so aufwendig entwickelte Lernprogramm repräsentiert
einen, im Vergleich zur sozialen Kommunikation, enorm reduzierten
Kommunikationskontext,
der den Verständigungsbereich der Kommunikation auf eine relativ überschaubare
Zahl an Informationen und darauf bezogenen Lernereingaben beschränkt. Dialoge
mit dem Lerner stellen vom Autor vorgeplante und in allen Details explizit
gemachte Kommunikationsmuster dar, in denen der Computer nicht im eigentlichen
Sinne „versteht", sondern „funktioniert" gleichwohl dem
Lerner jedoch die Illusion des Verstehens zu vermitteln vermag. „Der
Computer teilt mit dem Menschen zwar [. . .] eine Sprache, aber nicht eine Weit
[. . . Die Sprache wirkt] als eine Art fata morgana [. . . ]. Sie wird immer
wieder hinter der Kulisse oder dem Horizont des Nichtsprachlichen entschwinden,
sich immer wieder auflösen in lauter Kontexthaftigkeit." (Johnson 1984,
S. 45, 47)
These 4: CUL repräsentiert eine
sprachreduzierte
Kommunikation!
Die Kommunikation innerhalb des CUL bewegt sich
prinzipiell auf der Inhaltsebene. Anders als beim sozial- kommunikativen
Handeln, ist der Beziehungsaspekt nicht mit der Kommunikation synchronisiert.
Will der Autor auf den Beziehungsaspekt abheben, so muß er ihn ausdrücklich
hervorheben und sprachlich objektiviert ausdrücken. Durch den
Ausfall der nicht bzw. halbsprachlichen Kommunikationsebene reduziert
sich die Lerner- Computer- Kommunikation auf das ausdrücklich
Artikulierte. Die im Vergleich zur sozialen Kommunikation geringere Symptomfülle
führt dazu, daß die verwendeten Zeichen eine hohe semantische Eindeutigkeit
besitzen müssen.
Die Artikulationsmöglichkeiten des Lerners vollziehen
sich im Rahmen geschlossener sowie begrenzt offener Dialogformen. Bei den
geschlossenen Dialogformen besteht die Artikulation des Lerners nicht in der
Formulierung wohlgeformter Ausdrücke durch Anwendung linguistischer Regeln,
sondern in dem „Zeigen" auf die jeweils ausgewählte Option. Die Option
ist dabei gekennzeichnet durch ein Zeichen (einen Buchstaben, eine Ziffer oder
ein Icon), oder sie kann über die Bedienung eines Eingabegerätes (z. B. Maus
oder Touchscreen) vom Lerner markiert werden. Die offene Dialogform ist begrenzt
durch die von der Autorensoftware analysierbare Antwortlänge, die faktisch
kaum mehr als die Analyse eines einfachen Satzes erlaubt. Daraus ergibt sich die
Notwendigkeit für den Lerner, seine Eingaben über die Formulierung von prägnanten
Begriffen vorzunehmen, die er ggf. in rudimentäre Sätze kleiden kann. Die
Artikulation des Lerners erfolgt im Stile eines Kreuzworträtsels oder, im
elaboriertesten Fall, durch die Angabe kurzer Stichwortsätze.
Insgesamt läßt sich der Kommunikationsstil im Rahmen
des dialogischen Austauschs zwischen Lerner und Computer als eine um
Eindeutigkeit und Prägnanz bemühte Stafette kurzer Frage- Antwort Folgen
skizzieren. Der Lerner sucht innerhalb eines stark begrenzten und zerstückelten
Kommunikationskontextes die richtige Antwort, erwählt die entsprechende
Funktion, und wenn er sie ausgelöst hat, gibt es keine weiteren Fragen oder
Diskussionen. Der Lerner ist gezwungen, seine eigene Sprache und seine
Kognitionen laufend computergerecht zu übersetzen, ein Wort zu einem Zeichen,
eine Aussage zu einer Maschinenanweisung und einen subjektiven Sprach- und
Denkstil in eine computergerechte Form zu transformieren. Anders in der sozialen
Kommunikation: Die Gesprächspartner verstehen sich häufig auch dann noch,
wenn Äußerungen vorgetragen werden, die syntaktisch oder semantisch nicht
den Sprachkonventionen entsprechen. Regelverletzungen oder ein neuartiger
Sprachgebrauch verhindern nicht, daß die Äußerungen verstanden werden. Das
technisch diktierte Ideal ist ein präziser, redundanzloser Dialog, der
zugleich mit einer einfachen Syntax und einem geringen Wortschatz auskommt.
These 5: CUL repräsentiert
eine gefühlsreduzierte Kommunikation!
Die weitgehend reduzierte Sprache in der Lerner Computer- Kommunikation
korrespondiert mit der Unmöglichkeit für den Lerner, innerhalb eines
Computerdialogs
die eigene Individualität oder eigene Gefühle ausdrücken zu können. Gefühlsbetonte
Ausdrucksformen, wie etwa Ironie oder Sarkasmus, finden in den von dem Autor
vorgefertigten Kommunikationsmustern keinen Halt, es sei denn, sie werden - wie bei ELIZA
- domestiziert und in schematisierte Bahnen gelenkt.
Affektive Dimensionen menschlichen Handelns werden in der Lerner- Computer
Kommunikation
nicht gefordert. Die Darstellungen des Computers kommen gleichsam aus dem Nichts. Äußerungen
eines menschlichen Kommunikationspartners sind demgegenüber selten rein
funktional; mit den Inhalten verbinden sich (halb- und nichtsprachlich
artikulierte) Gefühle und Motive, die in die Interpretation des anderen
eingehen können.
These
6: CUL
repräsentiert eine statische Kommunikation!
Die Analyse der
Lerner- Computer- Kommunikation zeigt, daß diese Kommunikation
weitgehend statisch verläuft, d. h., die Dialoge aktualisieren lediglich
vorgeplante Kommunikationsmuster. Im Gegensatz zu einem personalen
Kommunikationspartner ist ein Lernprogramm nicht in der Lage, innerhalb des
Kommunikationsprozesses eigene „Erfahrungen" aufzubauen, d. h., prozeßbegleitend
zu lernen. Aus diesem Grunde kann die Lerner- Computer Kommunikation nicht
adaptiv verlaufen, die Dialoge vollziehen sich unabhängig von den Lernprozessen
des Lerners in immer gleicher Weise. Daraus ergibt sich, daß die Kommunikation
mit dem Computer nicht dynamisch fort, sondern vorgezeichnete Wege
abschreitet.
These
7: CUL
repräsentiert eine Kommunikation ohne Verantwortung!
Im Gegensatz zum sozial-kommunikativen Handeln
fordert die Kommunikation mit dem Computer von dem Lerner keinerlei
Verantwortlichkeit für sein Handeln. Der Lerner betätigt Funktionen, kann
seine Aktionen wieder rückgängig machen, er übernimmt keinerlei Verantwortung
gegenüber anderen für das, was er mit seinen Operationen ausdrückt. Er
braucht sein Handeln weder zu begründen, noch ist er gezwungen, es auf seine
moralische Basis hin zu legitimieren. Die Legitimation ergibt sich aus der
Regelhaftigkeit des Lernprogramms, die für ihn Sachzwänge und damit eine
individuelle Verantwortungslosigkeit begründet. Solange der Computer für
seinen Bediener kein ethisches Subjekt darstellt, fordert er von ihm keine
Verantwortung.
Apersonale Lernarrangements im Rahmen einer
Lerner- Computer- Kommunikation sind nicht von dem Interesse an der
Person des anderen getragen, sondern sie orientieren sich am inhaltlichen Bezug
des Lernprogramms. Sie bieten ein Terrain ungestörter, asozialer Einsamkeit.
In extremer Ausprägung können sie vorhandene Tendenzen einer Distanzierung
zur sozialen Umwelt verstärken; sie bieten insbesondere für introvertierte
Menschen eine angenehme Möglichkeit, den Unwägbarkeiten und Ansprüchen einer
sozialen Beziehung ein Stück mehr auszuweichen. Kommunikation mit dem Computer
erlaubt eine Individualisierung, ohne das Gefühl der Einsamkeit und ohne die
Bedrohung, sich gegenüber anderen Menschen verwundbar zu machen. Sie kann der
Neigung einzelner Menschen
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