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Lernen mit
Notebooks |
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Pioniere in PaderbornIm Februar 2000
gab es "Weltraum-Wochen" im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn. Im
Eingangsbereich stand eine besondere Attraktion: eine Original
Sojus-Raumkapsel, die im August des vergangenen Jahres zwei Kosmonauten
der letzten MIR-Mission sicher auf die Erde zurück brachte. Auch die Pioniere, die
sich am 17./18.Februar 2000 im HNF getroffen haben, testen Notebooks,
allerdings nicht im schwerelosen Raum, sondern im wirklichen Leben: im
Unterricht und in der Lehrerbildung.
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Ca. 100 Lehrerinnen
und Lehrer aus Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und
aus Österreich sind gekommen, darunter alle allgemeinbildenden
Schulformen, berufsbildende Schulen sowie ein Studienseminar für den
kaufmännischen Bereich. Für den zweiten Tag hat man auch Partner aus Industrie und Wirtschaft, Ministerien und Hochschulen eingeladen, um sie über die Arbeit zu informieren und nicht zuletzt auch um bei ihnen für die eigene Sache zu werben.
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"Anytime, anywhere learning" in den USADer öffentliche Teil
der Veranstaltung beginnt mit einem Blick über den großen Teich. Kathrin Hennicke von der Französischen Schule
Düsseldorf berichtet über ihre Eindrücke vom 5. Kongress amerikanischer
"Laptop-Schulen" in Seattle. Sie zeigt sich insbesondere überrascht von
der Euphorie, die dort selbst nach fünf Jahren immer noch herrscht, sie
vermisst aber auch nähere Informationen über durchgeführte Projekte oder
auch über Evaluationsmethoden. (Mehr Informationen zu dieser
Tagung.) Ulrich Engelen von Evangelisch Stiftischen
Gymnasium, Gütersloh, verfolgt die Entwicklung in amerikanischen Schulen
seit vielen Jahren. Auch ihn beunruhigt mancherorts eine politisierte
Euphorie und ein technizistischer Pragmatismus. Er kennt aber auch eine
Reihe von Schulen, die eine Erneuerung schulischen Lebens und eine
Veränderung von Lehren und Lernen durch fundierte pädagogische Konzepte
anstreben. (Wobei er darauf hin weist, dass in vielen amerikanischen
Schulen ein noch "konventionellerer" Unterrichtsstil zu beobachten ist,
als an deutschen Schulen.)
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Erste Stellungnahmen ...Die Erfahrungen aus den Arbeitsgruppen des Vortages werden ausgetauscht und in Form von Feststellungen, Wünschen oder Anregungen im Plenum vorgetragen. ... zur Technik: Als Voraussetzung für einen flexiblen Einsatz im Schulbetrieb sollten Notebooks mit Akkus von 6 Stunden Laufzeit ausgestattet und durch ein Funknetz verbunden sein. Ein Gerät sollte nicht mehr als ein Kilogramm wiegen. Die Betreuer schulinterner Netzwerke sollten ihre technischen Lösungen den anderen Schulen im Internet zur Verfügung stellen.
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... zur Software: Anders als die Medienecke im Klassenzimmer, die allen zur Verfügung steht, werden Notebooks als persönliche Lernbegleiter gesehen: Notebooks sind Schulheft, Federtasche und Schulbuch zugleich. Daher werden bisher im Unterricht vorwiegend Standard-Werkzeuge zur Bearbeitung von Texten, Bildern, Photos oder mathematischen Aufgaben eingesetzt. Software, die zum Üben von Fertigkeiten konzipiert ist, eignet sich weniger für den Unterricht. Produkte, mit denen auch neue Inhalte erarbeitet werden können, sind noch selten. Gewünscht werden auch Werkzeuge zur Erstellung von Lernumgebungen durch Lehrer und Schüler sowie "Schulbücher neuen Typs" mit einem didaktischen Gesamtkonzept, das eine breite Nutzung neuer Medien mit einbezieht. ... zur Pädagogik: Schülerinnen und Schüler erhalten durch die neuen Medien auch einen größeren Einfluss auf die Unterrichtsinhalte. Eine wichtige Aufgabe der Lehrperson besteht daher darin, sicherzustellen, dass sie selbst und die Lernenden den "roten Faden" im Auge behalten. Durch neue Arbeitsformen und Hilfsmittel können auch neue Ziele im Unterricht angestrebt werden, für die dann auch geeignete Bewertungsmaßstäbe aufgestellt werden müssten. Lehrende und Lernende sollten sich aber nicht durch eine schöne Verpackung über einen schwachen Inhalt täuschen lassen. Als problematisch gelten u.a. ein zunehmendes Auseinanderdriften der Leistungsstandards innerhalb einer Klasse sowie die IHK-Prüfung im beruflichen Schulwesen. Eine vorwiegende Einzelarbeit mit dem Laptop könne dem Anspruch, Teamfähigkeit, Sozialkompetenz und Kommunikationsfähigkeit zu fördern, entgegenwirken. Um dies zu vermeiden, müssen auch hierfür geeignete Unterrichtsformen entwickelt werden. Eine Evaluation der Arbeit wird als notwendig angesehen. Insgesamt gibt es nur wenige Aspekte, die für sich genommen nicht bereits im Zusammenhang mit dem Computereinsatz im Unterricht diskutiert werden, nun treten sie allerdings verstärkt auf. Wenn Notebooks als allgegenwärtige Arbeitsmittel auch bei Klassenarbeiten und im Abitur eingesetzt werden, stellen sich darüber hinaus noch weitere Fragen. Müssen z.B. Klassenarbeiten, die unter Verwendung von Notebooks geschrieben werden und die nur in elektronischer Form vorliegen, zusätzlich ausgedruckt und auch in schriftlicher Form aufbewahrt werden, um auf mögliche Einsprüche reagieren zu können oder sollen die juristischen Bestimmungen an diese neuen Bedingungen angepasst werden?
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Foto: Manfred Stubbe, RRB |
Wie soll es weiter gehen?In einer
Gesprächsrunde diskutiert Reinhard Kahl
(Journalist, Hamburg) mit Renate Wanke,
(Microsoft), Jürgen Sarfert (IBM), Michael Louis (Market Soft), Klaus Haefner (Universität Bremen) und
wechselnden Teilnehmern aus dem Plenum. Kahl provoziert, indem er zwei
mögliche Katastrophen beschreibt. |
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Das System Schule ist, so Sarfert, derart komplex, dass die Bereitstellung von Hard- und Software nichts nutzt, solange kein Gesamtkonzept vorliegt, das Wartung und nicht zuletzt auch Lehrerfortbildung mit einschließt. Hierauf werden die Firmen auch bei ihren weiteren Förderungsstrategien achten. So stellt auch Frau Wanke in Aussicht, dass Microsoft weitere 30 Laptop-Schulen mit Software und know-how unterstützen will, vorausgesetzt, diese Schulen erfüllen folgende Bedingungen: mindestens zehn Prozent des Kollegiums sind bereit mitzuwirken, es liegt ein schulinternes Curriculum vor, und die Schule hat Partner, z.B. Eltern, Wartungsfirmen oder das Ministerium, die sie zusätzlich unterstützen.
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Top-down oder bottom up?Haefner wischt derartige Angebote als "Kinkerlitzchen" vom Tisch. Das Problem liege bei der Politik, nicht bei der Industrie. "Bottom up" ist der falsche Weg, er dauert viel zu lange. Vor 30 Jahren habe die damalige Bundesregierung ihr erstes Programm "Datenverarbeitung im Bildungswesen" vorgestellt und immer noch sei das deutsche Schulwesen eine weitgehend computerfreie Zone. Nur das staatliche Bildungswesen, so Haefner, kann umfassende Innovationen dieser Art einführen und es soll sich dabei an dem Vorgehen der großen Industriekonzerne orientieren. (Die 4 Milliarden DM, die hierfür jährlich für Ausstattung der Schülerinnen und Schüler mit Laptops benötigt werden, lassen sich seines Erachtens leicht über eine Steuer auf Auslandsreisen aufbringen!) Dieser Auffassung wird von allen Seiten heftig widersprochen: Initiativen von Politik und Industrie - z.B. D21 - werden zitiert, um die Bemühungen aller 16 Bundesländer zu dokumentieren. Die Zeit des "radikalen Entweder-Oder" ist vorbei, so heißt es, die gesellschaftliche Notwendigkeit des Wandels sei erkannt. Die Industrie betont, dass sie die breit angelegten Ausstattungsinitiativen nicht unterstützt, um Hard- und Software zu verkaufen, sondern um ihren steigenden Bedarf an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern künftig decken zu können.
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Der Wandel beginnt in den SchulenDie Hoffnung auf einen Wandel, so der Tenor weiterer Wortmeldungen, liegt nicht in der Zentralisierung, sondern in den Schulen selbst. Die ersten Schritte müssen aus den einzelnen Schulen selbst kommen, in interne Schulentwicklungsprozesse eingebunden und im schulischen Umfeld verankert sein, und dabei von externen Partnern gestützt werden. Diese Schulen sollten ihre Modelle untereinander in Netzwerken austauschen und an weitere Interessierte weitergeben. In den einzelnen Schulen kann dann auf die nicht am Projekt beteiligten Lehrerinnen und Lehrer eine Sogwirkung ausgehen und unter den Schulen selbst eine produktive Konkurrenz entstehen, wenn z.B. die "Pionierschulen" aufgrund der neuen Methoden den größeren Zulauf haben.
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Psychische Mobilität durch NotebooksIn seinem anschließenden Referat führt Klaus Haefner seine Position weiter aus und erläutert sein Leitbild der Psychischen Mobilität. Sie erfordert eine sinnvolle Komplementierung menschlicher und technischer Informationsverarbeitung, wie sie nur in einer "Notebook-Schule" umgesetzt werden könne. Unterricht nach diesem Leitbild wird aber zurzeit durch eine völlig unzureichende Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung verhindert. Um diese Situation zu verbessern, fordert er eine verstärkte Bearbeitung des Themas "Neue Medien" in der Lehrerausbildung. Als Beispiel stellt er den Ansatz der Universität Bremen vor: In einem Zertifikatsstudium können Studierende, aber auch Lehrerinnen und Lehrer, die Grundlagen hierfür erhalten. Nur eine weitere Universität im Bundesgebiet hat ein ähnliches Angebot. (Siehe hierzu: Zusatzqualifikation der Universität Paderborn, A.H.-T) Auch Haefner will das Tempo der Innovationen beschleunigen, nur ist dazu seines Erachtens das Bildungswesen selbst umzustrukturieren, denn "es hat sonst auf dem Markt der kognitiven Prozesse keine Überlebenschance".
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Ermuntern, fördern, werben, festigenDie Empfehlung, die
Michael Töpel als Sprecher des Arbeitskreises "Lernen mit Notebooks" den
Anwesenden mitgibt, setzt auf mehr Selbstorganisation und
Eigenverantwortung bei den Schulen:
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Ein kurzer Blick auf die ProjekteIm Nebenraum hatten die anwesenden Schulen ihre Projekte auf Schautafeln, als Diashow, teils auch mit Computerpräsentationen ausgestellt. Die vorgestellten Ansätze waren sehr unterschiedlich: Nutzung in der Freiarbeit oder in einem bestimmten Fach, Arbeit in einer Klasse in allen Fächern, bis hin zum Einsatz von Computer-Koffern, die sich die Schülerinnen und Schüler sogar selbst zusammengebaut haben.
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Während einige Schulen bereits praktische Erfahrungen sammeln konnten und Arbeiten ihrer Schülerinnen und Schüler ausstellten, haben andere gerade die technischen Voraussetzungen geschaffen oder den Beschaffungsauftrag auf den Weg gebracht. Die Zeit für Gespräche ist natürlich viel zu kurz, dennoch sind die Anwesenden zufrieden: Sie haben sich gegenseitig in ihrem gemeinsamen Ziel bestärkt und sie wissen, sie sind auf ihrem Weg dahin nicht allein. Optimistische Aufbruchstimmung ist spüren, "Let's do it" - aber mit Problembewusstsein und kritischer Reflexion. Man verabschiedet sich mit der festen Absicht, die Kontakte weiter auszubauen und sich in einem Jahr an gleicher Stelle wieder zu treffen.
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Ein gutes Omen!Beim Verlassen des
Tagungsorts kommen die Teilnehmer wieder an der Raumkapsel vorbei. Aus der
Nähe betrachtet waren die Arbeitsbedingungen der Weltraumpioniere nicht
gerade optimal. Sie kämpften mit vielen technischen Problemen und ihre
Finanzierung war nicht immer gesichert. |
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